Der Kerzenchart (Candlestick-Chart) ist eine Variante zur Visualisierung eines Kursverlaufs von jeglichen Basiswerten. Dabei reicht eine Kerze von dem niedrigsten zu dem höchsten Kurs einer beliebigen Zeitspanne. Im Bereich vom Eröffnungs- bis zum Schlusskurs befindet sich der Kerzenkörper. Außerdem wird dabei unterschieden, ob die Differenz zwischen Eröffnungskurs und Schlusskurs der Zeitspanne negativ oder positiv ist – je nachdem bekommt die Kerze eine gewisse Farbe.
Auf Basis dieser Kerzen kann das Verhalten der Marktteilnehmer abgeleitet werden, indem man sich überlegt, wie die Kerze(n) zustande gekommen sind. Mit den Interpretationen ergeben sich bestimmte Formationen und Muster, welche eine Stärke in eine gewisse Richtung symbolisieren. Ein Beispiel dafür ist das Bullish bzw. Bearish Engulfing, welches als Umkehrsignal gilt.
Die Konstruktion vom Engulfing
Ein bekanntes Umkehrsignal ist das Bullish bzw. Bearish Engulfing. Das Wort „engulf“ stammt aus dem Englischen und bedeutet „verschlingen“. Im Chart verschlingt dabei eine Kerze ihren Vorgänger; genauer gesagt ist der Körper so groß, dass er den vorherigen Kerzenkörper komplett einschließt und am besten auch noch den Rest dieser Kerze (also den Docht bzw. die Lunte). Letzteres würde für ein noch stärkeres Signal sprechen.
Das Muster kann sowohl in kleinen Zeiteinheiten auftreten, als auch in langfristigen Charts beobachtet werden.
Zusätzliche Bestätigungen
Tritt dieses Muster auf, könnte dies für einen Trendwechsel sprechen oder je nach Marktlage das Ende einer Korrektur anzeigen. Allerdings ist es empfehlenswert auf weitere Bestätigungen für ein solches Signal zu achten, um seine Trefferwahrscheinlichkeit bei der Platzierung eines Trades zu erhöhen. Das Engulfing zeigt nur an, dass gewisse Marktteilnehmer eine starke Position einnehmen und die jeweils andere Seite zurückdrängen – das kann weiter anhalten, muss aber nicht.
Da laut der Dow-Theorie der Umsatz in Trendrichtung ansteigen sollte, so ist ein hohes Volumen bei einem Engulfing-Muster unterstützend anzusehen. Befindet sich das Bullish Engulfing an/in einer Unterstützungszone (bzw. das Bearish Engulfing an/in einer Widerstandszone), so steigt die Wahrscheinlichkeit der nachhaltigen Umkehr im Vergleich zu einem solchen Signal im „leeren Raum“. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Zone von (zusätzlichen) mehr Marktteilnehmern beachtet wird als lediglich ein alleinstehendes Kerzen-Umkehrsignal.
Möchte man immer mit dem Trend handeln, da dieser laut Dow eine höhere Wahrscheinlichkeit hat sich fortzusetzen als umzukehren, so kann mit der Beachtung von Engulfing-Formationen eventuell ein guter Einstieg gefunden werden. In diesem Fall wartet man innerhalb einer Korrektur des Trends auf ein Engulfing-Muster in Trendrichtung, welches andeuten könnte, dass die übergeordnete Struktur nun fortgesetzt wird.
Was bedeutet die Formation genau?
Wenn man Kerzenformationen wie das Engulfing richtig interpretieren möchte, so sollte man sich fragen was die zu sehenden Informationen (Hoch, Tief, Eröffnungs- und Schlusskurs) überhaupt aussagen.
Schließt der Kerzenkörper den Körper der (z.B.) Vorwoche (andere Zeiteinheiten natürlich auch möglich) ein, so muss der Schlusskurs über (bullish) bzw. unter (bearish) der Eröffnung der letzten Woche liegen. Gleichzeitig ist der Eröffnungskurs meist in der Nähe des vorherigen Schlusskurses bzw. sogar tiefer (bullische Variante) bzw. höher (bärische Variante).
Die gesamte Bewegung wird somit revidiert und sogar übertroffen. Die jeweils anderen Marktteilnehmer drängen diejenigen zurück, die die Bewegung der (z.B.) Vorwoche verursachten/beherrschten. Diese Stärke in dem Wert könnte demzufolge weiter anhalten, weshalb man das Engulfing als Umkehrsignal sieht.
Ist der Körper aber (z.B.) relativ klein im Vergleich zur sonstigen Volatilität – also liegen Eröffnungs- und Schlusskurs eng beieinander –, dann kann ein Engulfing auch mit deutlich weniger Stärke erreicht werden. Dies sollte man unbedingt berücksichtigen, um die Bedeutung des Bullish oder Bearish Engulfing richtig einzuschätzen. Der genannte Fall wäre dann selbstverständlich schwächer einzuordnen.
Zwei Beispiele
Nasdaq 100 – Bullish Engulfing
Der vorliegende Chart zeigt den Nasdaq-100-Index von 2018 bis Beginn 2020. Nach der stärkeren Korrektur des langfristigen Aufwärtstrends etablierte der Index 2019 ein neues Allzeithoch, bevor eine Korrektur einsetzte.
Bild 1: Im Nasdaq-100 wurde das Korrekturende des übergeordneten Aufwärtstrends von einem Bullish Engulfing eingeleitet (NDX, Weekly, Mai 2018 bis Januar 2020).
Diese Korrektur endete mit einer extrem bullischen Wochenkerze, dessen Körper die gesamte Handelsspanne der Vorwoche umschließt (auch Lunte und Docht). Dies bedeutet, dass die Eröffnung am ersten Handelstag dieser Woche unterhalb des letzten Wochenschlusskurses lag (sogar unter dem tiefsten Kurs der Vorwoche), die Bullen es jedoch bis zum Wochenschluss schafften eine große Strecke zurückzulegen. Oberhalb des Hochs der letzten Woche liegt der Schlusskurs und somit das obere Ende des Kerzenkörpers. Zudem ist anzumerken, dass der Docht sehr klein ausfällt – die Verkäufer haben es also nicht geschafft die Bullen wieder zurückzudrängen.
Nach der Ausbildung dieser Kerze war die Korrektur beendet und die Aufwärtstrendrichtung wurde erneut aufgenommen.
Cisco Systems – Bearish Engulfing
Im Chart von Cisco wurde im Jahr 2018 der Aufwärtstrend unterbrochen und eine Korrektur eingeleitet. Begonnen hat diese mit einem Bearish Engulfing im Wochenchart.
Bild 2: Die Korrektur des Aufwärtstrends begann mit dem Umkehrsignal in Form von einem Bearish Engulfing (CSCO, Weekly, Oktober 2017 bis März 2019).
Die Woche hatte mit einer Aufwärts-Kurslücke begonnen und es wurde im Anschluss sogar ein neues Hoch ausgebildet. Allerdings drängten die Verkäufer die Bullen noch in derselben Woche zurück und der Wochenschlusskurs liegt unterhalb des Eröffnungskurses der vergangenen Woche.
Im Gegensatz zum bullischen Beispiel im Nasdaq-100, hätte man bei Cisco klar gegen den
Trend gehandelt. Zudem ist auch erkennbar, dass wir nicht nahe dem Wochentief geschlossen haben, sondern eine deutliche Lunte vorliegt. Dies schwächt die Aussagekraft der Formation ab (beim Nasdaq-100 war das nicht der Fall).
Sollte die eigene Strategie vorsehen ein solches Muster zu handeln, so sollte man sich dem ersten genannten Unterschied bewusst sein. Man handelt nur eine Korrektur und der Aufwärtstrend könnte jederzeit wieder aufgenommen werden. Dies geschah in diesem Fall aber nicht mit einem Bullish Engulfing.
Zusammenfassung
Kerzenformationen dienen dazu, das Verhalten der Marktteilnehmer zu deuten und somit z.B. Umkehrsignale zu identifizieren (wie beim Engulfing). Eine Verbindung mit weiteren Werkzeugen ist durchaus angebracht, wenn man dieses Muster als Einstiegsgrund sieht. Allgemein spricht es für Stärke in die Richtung, in die das Engulfing auftritt.
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Autor und Quelle:
Jan Fuhrmann beschäftigt sich in seiner Freizeit ausgiebig mit der Technischen Analyse der Finanzmärkte. Interessierten hilft er gerne mit seinen täglichen Aktivitäten auf Instagram weiter, wo er gemeinsam mit einem Freund die Accounts @die.aktionaere und @die.trader führt. Das Hauptziel ist dabei die Förderung der Aktionärskultur in Deutschland.