Die Bollinger-Bänder

Die Bollinger-Bänder

Die Bollinger Bänder sind von John Bollinger entwickelt worden und erweitern einen normalen gleitenden Durchschnitt um eine weitere obere und untere Linie. Dadurch entsteht anstelle einer Linie ein Kursbereich, womit man überkaufte und überverkaufte Märkte identifizieren kann.

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Die Konstruktion

Die Bänder bestehen aus dem gleitenden Durchschnitt in der Mitte, welcher in der Regel über 20 Perioden der eingestellten Zeiteinheit berechnet wird (also z.B. 20 Tage), und einer Standardabweichung nach oben und unten. 
Die Standardabweichung ist ein mathematisches Instrument, um die durchschnittliche Abweichung der Werte (Kurse) vom Mittelwert (genauer: dem arithmetischen Mittel; in der Mathematik) anzugeben. Da diese Standardabweichung bei einer geringen Volatilität geringer ist als bei einer höheren Volatilität, passen sich die Bollinger Bänder der aktuellen Marktlage an. Steigt die Volatilität in einem Wert, so wandern auch die Bänder auseinander (und andersherum).

Alle Bestandteile der Bänder (also auch der gleitende Durchschnitt) sollen als „bewegliche/r“ Widerstand bzw. Unterstützung dienen. Somit ist nach dem Erreichen des unteren Bandes (als Beispiel) nicht zwingend mit einer Bewegung an die obere Grenze zu rechnen. Bereits der gleitende Durchschnitt - in der Mitte der Gesamtspanne - ist ein nennenswerter Widerstand.

Die Berechnung

Der gleitende Durchschnitt bildet den durchschnittlichen Kurs der letzten (in dem Fall 20) Handelsperioden und bezieht sich dabei jeweils auf den Schlusskurs. Solange die Zeit für das aktuelle Intervall also noch nicht abgelaufen ist, kann sich auch der Wert des gleitenden Durchschnitts noch ändern. Dasselbe gilt für das obere und untere Band.
Bei der Standardabweichung wird die Streuung aller vorhandenen Werte zu dem Mittelwert (den ja der gleitende Durchschnitt zeigt) ermittelt. Innerhalb von der doppelten Standardabweichung (über und unter dem gleitenden Durchschnitt) befindet sich der Kurs dann im absoluten Großteil der Zeit (siehe Chart). Dort sind das obere und untere Bollinger-Band einzuzeichnen.

Kurs zwischen den Bändern

Bild 1: Man sieht, dass sich der Kurs meistens zwischen dem oberen und unteren Band aufhält (ATVI, Weekly, 2013 bis 2020).

Handelsmöglicheiten

Normalerweise werden Bollinger Bänder für zwei verschiedene Zwecke verwendet:

Ersterer ist die Identifikation von Übertreibungen, welche dann zu sehen sind, wenn sich der Kurs über dem oberen bzw. unter dem unteren Band befindet. An dieser Stelle kann dann nach Einstiegen in die entgegengesetzte Richtung gesucht werden, weil es statistisch unwahrscheinlich ist, dass der Kurs dauerhaft außerhalb des Bereichs der Bänder bleibt.
Dies gilt sowohl für Long-Einstiege am unteren Ende der Zone der Bänder, als auch für Short-Einstiege auf der oberen Seite.

Eine zweite Option, welche die erste Anwendung aber keineswegs ausschließt, ist die Kurszielbestimmung eines Trades mithilfe der Bollinger Bänder. Da man von der Prämisse ausgeht, dass der Kurs eher innerhalb der Region zwischen den Bändern verharrt, können Gewinne einer Long-Position am oberen Ende mitgenommen werden (bei Shorts entgegengesetzt).

Neben diesen gängigen Varianten der Nutzung des Indikators, gibt es auch die Möglichkeit die Bänder als Filter zu verwenden und zusätzlich in das eigene Trading-System zu integrieren. Spricht das eigene System gerade eine Kaufempfehlung aus, aber man befindet sich direkt am oberen Band, so würde ein möglicher Filter die Positionseröffnung verhindern. Ebenso funktioniert dies mit Short-Positionen.
Auf diese Art und Weise zeigen die Bänder das Kurspotenzial eines Trades und der Marktteilnehmer kann entscheiden, ob dies ausreichend ist um z.B. ein gutes Chance-Risiko-Verhältnis zu erhalten.

Probleme

Gerade in sehr starken Trendphasen, vor allem in Hypes, können sich Kurse auch länger außerhalb der Bänder aufhalten. Zudem kommt hinzu, dass sich eine Aktie (z.B.) auch am oberen Band entlang „hangeln“ kann. Das Band passt sich dieser Aufwärtsbewegung an und steigt ebenfalls. Möchte man nun einen Short-Einstieg suchen, kann dies die Platzierung des Stopp-Loss erheblich schwieriger gestalten. Ein Beispiel dazu:

Übertreibungen nach den Bollinger-Bändern

Bild 2: Übertreibungen nach den Bollinger Bändern lassen sich nicht immer gut handeln (ATVI, Weekly, 2018 bis 2020).

Bei den orangenen Kreisen geht die Idee super auf: Einstieg eines Shorts am oberen Ende der Bänder-Region und anschließend gibt der Kurs nach. Auch hier muss getestet werden mit welchem Abstand man einen Stop-Loss über dem oberen Band platziert. 
Allerdings tritt auch häufig ein Szenario ein, wie es im blauen Kreis zu sehen ist. Der Kurs ist am oberen Band und reagiert leicht darauf; ein Short könnte eröffnet werden. Im weiteren Verlauf steigt der Wert nun weiter und bleibt trotzdem innerhalb der Bänder. Ein möglicher Stop-Loss wäre inzwischen wahrscheinlich längst berührt worden und die Position wäre im Verlust gelandet, obwohl die Trade-Idee immer noch gegeben ist. Schlussendlich gibt auch hier der Kurs schlussendlich nach, aber wesentlich später als erwartet. 
Dasselbe gilt für eine Long-Position (nur umgekehrt).

Ein weiteres Problem ist die Bestimmung des Kursziels. Steigt man z.B. in einen Trade ein und visiert als Ziel das untere Band (Short-Idee) an, so wird man bei abnehmender Volatilität erhebliche Probleme bekommen. Das liegt daran, dass das obere Band meistens nur erreicht wird, wenn die Volatilität steigt. Dabei bewegt sich auch das untere Band weiter weg, kommt jedoch wieder näher, wenn der Kurs tatsächlich fällt. Das liegt daran, dass die Standardabweichung dann zwangsläufig wieder geringer wird. Man darf also eher nicht davon ausgehen, dass das untere Band zum Zeitpunkt des Einstiegs wirklich als Kursziel erreicht wird.
Im gezeigten Chart sieht man, dass dieser Aspekt sehr relevant werden kann und das Chance-Risiko-Verhältnis stark beeinträchtigt wird. Der untere Strich zeigt den Wert des unteren Bandes zum Zeitpunkt der Positions-Eröffnung (Short). Tatsächlich erreicht wird die untere Grenze der Indikator-Region aber wesentlich höher (obere Linie). Aus diesem Grund gestaltet sich die Kursziel-Festlegung auf einen bestimmten Wert meistens schwierig. 

Anpassung der Bänder bei abnehmbarer VolatilitätBild 3: Bei abnehmender Volatilität passen sich auch die Bänder an, weshalb eine Kurszielfestlegung auf einen genauen Wert schwierig ist (ATVI, Weekly, Dezember 2019 bis 2020).

Wie bei den meisten Indikatoren ist es auch hier ratsam, dass man die Bollinger Bänder zusätzlich verwendet. Die Deutung eines Trends und der Marktstruktur hat in jedem Fall Vorrang. Dies ist schon allein damit begründbar, dass die Bänder nur eine Ableitung des Kurses darstellen (sie werden aus diesem berechnet). Die Grundlage ist also der reine Kursverlauf. Zur Identifikation von Übertreibungen kann man die Bollinger Bänder gut als Ergänzung benutzen.
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Autor und Quelle:

Jan Fuhrmann

Jan Fuhrmann beschäftigt sich in seiner Freizeit ausgiebig mit der Technischen Analyse der Finanzmärkte. Interessierten hilft er gerne mit seinen täglichen Aktivitäten auf Instagram weiter, wo er gemeinsam mit einem Freund die Accounts @die.aktionaere und @die.trader führt. Das Hauptziel ist dabei die Förderung der Aktionärskultur in Deutschland.

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